Exclusiv-Interview

Tobi Dahmen

Zeichner und Autor von Fahrradmod

 

Wir trafen Tobi anläßlich der Frankfurter Buchmesse 2016. Er war gerne bereit dem Oldstyle-Magazin einige sehr intime Fragen exclusiv zu beantworten.

 

Bitte sage uns kurz etwas zu Deinem beruflichen Werdegang. Wo hast Du schon schöne Fahrzeuge veröffentlicht?

 

Ich hab eigentlich schon immer gerne gezeichnet, hab schließlich auch ein paar Auftragsarbeiten gemacht, da waren dann auch erste Flyer dabei. Nach der Schule hab ich visuelle Kommunikation studiert, mein Herz hing aber weniger an dem ganzen Werbekram, sondern an der Illustration. Ich hab in dieser Zeit die zwei Rollerfahrerkalender gezeichnet, vielleicht kennt die ja noch jemand. Außerdem hab ich auch erste Comics für die Motoretta gezeichnet. Ich arbeite immer noch als Illustrator und mach nebenher meine Comics. Mein umfangreichstes Werk ist der „Fahrradmod“, der letztes Jahr bei Carlsen erschienen ist.

 

 

Dein Kontakt zur Rollerszene erklärt sich im Fahrradmod. Wann hast Du Deinen ersten Roller gezeichnet? Existiert die Zeichnung noch?

 

Die ersten Rollerzeichnungen dürften sich zwischen den zahlreichen Trash-Comics finden, die ich in der Schule gezeichnet hab. Vielleicht finde ich die noch (erinnere mich nochmal dran). Auf jeden Fall hab ich noch einen Flyerentwurf für eine Party in Wesel, auf der ist auch ein Roller drauf. Aber ich guck mir die Sachen nicht so gerne an, das ist so grottig gezeichnet.

 

 

Du hast anscheinend zwischenzeitlich den Autoführerschein gemacht. Damit wärest Du berechtigt auch Roller zu fahren. Hast Du es mal probiert? Wenn nein, juckt es nicht manchmal in den Fingern? Wenn ja, was bist Du gefahren. Erzähl uns mehr über Dein erstes Mal (Vespa fahren natürlich). Was für ein Fahrrad fährst Du heute?

 

Eigentlich würde ich ja schon gerne, aber es ist nie was draus geworden. Das ist ja auch im Buch dokumentiert. Hauptgrund ist aber wohl, dass ich von Technik null, aber wirklich NULL Ahnung habe. Ich bin oft genug bei Leuten mitgefahren, und dann irgendwo auf einer Landstraße mit der Karre liegengeblieben, und zum Glück konnten die alle das Ding wieder flott machen. In Holland, w ich jetzt lebe, würde so eine schöne alte Vespa allerdings auch nicht lange auf der Straße stehen bleiben, insofern fahr ich immer noch Fahrrad. Das ist allerdings auch eher unspektakulär, ein Familienrad mit Kindersitz und ein Batavus Cherokee.

 

 

Dein jeweiliges Lieblingslied aus den Bereichen Mod, Ska, Soul, R & B, Punk, Oi?

 

Puh, eins? Da gibt’s so viele. Am meisten liegt mir allerdings Soul, Ska, Jazz und  R & B.

 

 

 

 

 

 

Du erklärst viel zur Mod-Szene. Auch der unwiesende Leser kann in sie eintauchen. Anders bei der Scooterists-Szene, die Du eher mit ihren Spielereien nur streifst. Der unwissende Leser bekommt nicht so einen tiefen Einblick. Willst Du Dir hier etwas für eine Fortsetzung offen halten oder gibt es einen anderen Grund hierfür? 

 

Das liegt wohl vor allem daran, dass ich eben nie selber Roller gefahren bin. Insofern konnte ich gar nicht komplett in die Szene eintauchen. Gleichzeitig hab ich die Treffen aber sehr geliebt, vor allem waren Scooter Runs der Ort, wo man sein musste, wenn man den ganzen Abend Soul hören wollte. Deshalb war ich da eine zeitlang häufiger als auf Modtreffen. Aber das lief auch durchaus parallel.
 

 

Der Tobi im Fahrradmod wirkt am Ende vom Szenenleben geschlaucht. Deine Buchveröffentlichung brachte ja nun noch mehr zumindest szenenahe Events mit sich. Enttäuscht oder geläutert?

 

Naja, wer kennt das nicht, total kaputt von so einem Wochenende nach Hause zu kommen. Natürlich schlaucht das. Aber auf eine positive Art, man hat den Kopf voll von dem ganzen Kram, den man wieder erlebt hat. Und so war das auch mit dem ganze Rummel um das Buch, das hätte ja kaum besser laufen können und hat meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Ich bin unglaublich dankbar für das wahnsinnige Feedback, das ich von den Leuten bekommen habe, und wieviel ich durch die vielen Promoaktionen, Lesungen und Signierstunden erleben durfte. In diesem Sinne in keinster Weise enttäuscht, sondern sehr, sehr glücklich.

 

Am Ende wirkt die Figur Tobi resigniert und leergebrant. Beim Leser hinterlässt Du damit ein großes ABER. In der Schule hätte man seinerzeit gefragt: Was möchte uns der Autor damit sagen?

 

Wenn Du die Figur resigniert erlebst, übersiehst Du aber dass er auch sehr dankbar ist, für all das, was er in den zwanzig Jahren erlebt hat. Und dass er auch bestimmten Leuten dankbar ist, dass sie da waren und sein Leben geprägt haben. Ich bin sehr froh, dass mich diese Szene ein Leben lang begleitet, daß ich am Ball geblieben bin und es sich alles nicht nur auf einen verrückten Sommer reduziert. Aber heute trage ich durch meine Familie auch eine ganz andere Verantwortung als früher. Das wollte ich gegen Ende thematisieren. Man kann eben nicht mehr jeden Tag Vollgas geben.

 

Vielleicht gelingt das manchen, aber mir nicht mehr.

 

 

Überspielst Du mir Dein Pogo-Mix-Tape?

 

Kurz nachdem ich mit dem Buch begonnen habe, bin ich nach Holland gezogen, da konnte ich nicht alles mitnehmen. Kann gut sein, dass es irgendwo in einer Kiste auf dem Speicher liegt. Wenn ich es noch finde, gerne. Inzwischen musst Du mit dem Soundtrack des Buches vorlieb nehmen, den gibt’s bei www.mixcloud.com/fahrradmod.

 

 

Tobi suchte am Anfang des Buches nach etwas Besonderem, findet es, genießt es und läßt es enden. Worin findet der wahre Tobi heute seine Erfüllung?

 

Ach, das sind viele Sachen. Ich geh immer noch wahnsinnig gerne auf Nighter und Weekender tanzen und Bier trinken mit alten Freunden. Aber die Wochenenden in der Comicszene machen mir genauso viel Spaß. Genauso natürlich die Zeit mit der Familie. Aber ich hab’s auch gerne ganz ruhig, alleine mit einem guten Buch/Comic auf der Couch.

 

 

Durch Deine Zeichnungen in der Motoretta und Dein Buch Scoot Riders hattest Du in der Szene ja schon eine gewisse Bekanntheit. Durch den Fahrradmod bist Du nun quasi ein Star der Szene. Wie gehst Du mit diesem Ruhm um? Gibt es Groupies?

 

Ich empfinde mich gar nicht als Star, haha, überhaupt nicht. Klar kennen jetzt einen mehr Leute als früher, und ich freu mich sehr, wenn die Leute mir erzählen, was sie von meinem Buch halten. Ich find’s dann aber bei solchen Begegnungen auch sehr schön, wenn sie mir ihre Geschichten erzählen. Auf Lesungen und Signierstunden hat man nicht immer so viel Zeit. Da lob ich mir, dass auch auf Partys Leute auf mich zukommen. Es gibt aber auch solche, die sich fragen: "Hä, was macht der hier, der hat doch nicht mal ‚nen Roller. Und hat der nicht so über die Rollerszene abgelästert?“ Also eigentlich wie früher, haha. Stimmt, ich hab immer noch keinen Roller, und ja, damals war ich die Rollerzene zeitweilig satt, durch halbherzige Veranstaltungen, deren größter Trumpf ne Stripshow waren. Aber damit war ich ja auch nicht alleine. Ich kann nur sagen, ich geh immer noch gerne auf Treffen und Nighter, auch ohne Roller, und wenn ich könnte, würde ich das auch noch öfter tun. Ich denk, die Zeichnungen und Flyer, die ich nach wie vor für die Szene mache, sollten das doch eigentlich klar machen. Und Groupies gibt’s zum Glück keine, da hätte auch meine Frau was dagegen.

 

 

 

Paddy Smith, DER Designer von Run-Patches, lebt mittlerweile in Frankreich. Du lebst mit Deiner Familie in den Niederlanden. Ist die Szene globalisiert oder braucht die Künstlerseele etwas (örtlichen) Abstand zu seinen Wurzeln, um sich richtig entfalten zu können?

 

Die Szene in den Niederlanden ist relativ klein, aber genauso vorhanden wie fast überall auf der Welt. Der Grund, dass ich nach Utrecht gezogen bin, liegt einzig allein darin, dass ich meine holländische Frau dort kennengelernt habe. Sie hatte damals schon zwei Kinder, ich war frei wie ein Vogel, also bin ich dorthin gezogen. Sonst wär ich wahrscheinlich, faul wie ich bin, für immer in Düsseldorf geblieben.

 

 

Wird es eine Fortsetzung des Fahrradmod, vielleicht sogar als Comic-Heft-Serie, geben?

 

Da muss ich Euch leider enttäuschen, das wird’s vorerst wohl nicht geben. Das Thema interessiert mich nach wie vor, aber ich finde, meine Geschichte hab ich erzählt. Jetzt sind andere dran. Aber ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann mal wieder was szenebezogenes mach. Erstmal will ich aber die Geschichte meiner Großeltern erzählen, meine beiden Eltern sind noch Kriegsgeneraton entsprechend gibt es da einiges zu erzählen (www.columbusstrasse.tumblr.com).

 

 

Abschließende Worte Deinerseits, die Du schon immer einmal der Welt da draußen in Buchstaben mitteilen wolltest oder aber was Du dem Oldstyle-Magazin einfach mal sagen willst.

 

Danke Euch für das Interview und dass Ihr mit Euren Berichten die Szene unterstützt. Und nochmal ein herzliches Dankeschön an alle, die über all die Jahre des Entstehungsprozesses am Ball geblieben sind und mich gepusht haben. Und natürlich allen, die das Buch gekauft, gelesen oder sonst wie unterstützt haben. Bedeutet mir sehr viel. Ich bin ja auch nur ein Sender, ohne Empfänger bedeutet das gar nichts.

 

 

 

 

Besten Dank für das Interview.

Tobi-Schnappschüsse von der Buchmesse