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Halali & die Jagd beginnt

 

Eigentlich reicht es ja völlig aus, zwei Roller zu besitzen. Ich habe eine recht alltagstaugliche 200er PX und einen schönen Oldtimer zum Protzen und Posen. Aber irgendetwas treibt mich immer wieder raus in die freie Wildnis. Flohmärkte, Souvenirläden und alte Scheuen, tiefe Wälder und vermoderte Abbruchhäuser sind mein Revier. Dort stöber und jage ich. Keine Beute entkommt meinem wachsamen Jägerauge.

 

Doch bin ich beileibe kein Tierquäler! Ich jage Roller! Egal in welcher Form und welcher Größe. Das 1 cm-Modell genauso wie das 1:1-Pappmodell, verrostete Rahmenreste oder auch der total verbastelte Rest eines selbsternannten Hobbyschraubers. Ich finde sie! Immer und überall!

 

Es ist eine Gabe und eine Qual zugleich. Nirgends kann ich hingehen ohne etwas zu finden, das jeder normale Mensch übersehen hätte. Alle meine Sinne sind nach über 30 Jahren Dauerjagd geschärft und höchst effizient. Kekse im Supermarkt? Da rechts ist ein kleiner Roller drauf. Auf der Nudelpackung auch. Weinflasche, Geschenkpapier, USB-Stick? Alles entweder in Rollerform oder mit einem Roller drauf gedruckt. Pfingstspaziergang mit der Familie? PK-Cutdown-Rahmen halb im Wald vergraben. Nur mal schnell zum goldenen M? Ein Roller-Gewinnspiel in der Kino-Zeitung.  

 

Früher hab ich alles wahllos gekauft, was ich finden konnte. Das war noch vor den glorreichen Internetzeiten mit seinem weltweiten Auktionshaus und seiner unbegrenzten Kaufmöglichkeit. Aus Indien kam ich zurück mit einem Koffer voller Spielzeug-Roller und-Dreiräder. Man hätte mich für einen Handelsreisenden halten können.

 

Dazu noch mein besonderes Steckenpferd. Plaketten, Aufnäher und Pins von Vespa- und Scooter Clubs. Facebook sei Dank gibt es da eine weltweite Sammlerszene, die sich gerne und rege austauscht. Innerhalb einer Woche kann man so mal eben auf die Schnelle 50 oder mehr neue Patches bekommen.

 

Das passt natürlich auf keine Jacke mehr. Wobei, da nähe ich eh nur die Teile von echten Freunden auf. Der Rest ist für die Sammlung. Die Sammlung dieses unermüdlichen Jägers ist mittlerweile so groß und umfangreich, dass man sie nur noch in eigenen Räumlichkeiten ansprechend präsentieren könnte. Und selbst das wäre nicht so einfach. Wer schon mal im Museum von Karl in Mauern oder Renate in Frankfurt war, weiß wovon ich rede. Ich hab es mal mit einem Achtel meiner Collection im Verkehrsmuseum Dresden versucht.

 

Zum eigenen Museum fehlen aber die großen Schmuckstücke in Form von echten Scootern. Mir haben ja immer zwei echte Roller gereicht. Der Jagdinstinkt wurde somit auf das Drumherum, die sogenannte Memorabilia, geschult. Die kleinen Sachen eben, die in Massen aber auch viel Platz wegnehmen.

 

Doch das Besitzen ist ja gar nicht das Aufregende. Natürlich gucke ich mir viele dieser Sammlerstücke mit echter Freude an und erinnere mich in mich hinein grinsend an den Moment, wo ich sie fand. Einsam und verlassen, von niemandem gewollt im hintersten Bereich eines Verkaufsregals eines 100 Pesetas-Ladens auf La Palma. Wann war das? Auch schon wieder 22 Jahre her.

 

Die Jagd ist das Aufreizende. Das Verfolgen einer heißen Spur, immer näher an die Entdeckung, an den Schatz. Und dann das orgastische Gefühl, es endlich in den eigenen Händen halten zu können.

 

Im Kinoklassiker „Der weiße Hai“ vergleichen zwei Jäger ihre Narben. Sie gehen völlig in ihren Geschichten und Erinnerungen auf. So ungefähr ist es auch, wenn Memorabilia-Sammler aufeinandertreffen. Zum Beispiel bei den Vespa World Days. Dort zu tauschen ist mehr als der bloße Austausch zweier Stofffetzen oder Clubbanner. Da werden fast ausnahmslos Erinnerungsfotos gemacht, bei dem die neu eroberten Trophäen präsentiert werden. So wie die Fotos von toten Löwen und Elefanten bei der Großwildjagd. Nur ohne Shitstorm, weil kein Leben unnütz vernichtet wurde.

 

Aufmerksamen Lesern dieses Blogs wird es nicht entgangen sein, dass ich aber tatsächlich im Moment ein klein wenig mehr als die notwendig erscheinenden zwei echten Motorroller mein Eigen nennen darf. Im Moment sind es, glaube ich, so ungefähr elf. Wie konnte es nur dazu kommen? Tja, was so ein echter Jäger ist, der hat ja nicht nur Instinkt und Ausdauer. Nein, dazu gesellt sich immer auch Jagdglück und Dusel. Wer in diesem Metier bekannt ist, bekommt dann auch mal abends beim kuscheligen Familienfernsehabend Anrufe von der Art: „Ich hab früher auch mal geschraubt. Hab hier noch ne Kiste mit irgendwelchen Teilen. Kannste Dir abholen.“ Oder: „Willste meinen Roller kaufen? 20 Euro. Mußt ihn aber noch diese Woche holen. Ich brauch Platz.“ Manchmal findet sich beim Abholen dann in der hinteren Ecke der Scheune noch ein Roller, der eigentlich für den ersten ein Teileträger sein sollte. „Nimm mit!“ So sammelt es sich an. Keine top restaurierten Oldtimer. Aber alles in allem doch rettenswerte Stücke aus dem Hause Piaggio.

 

Und wie das oft so ist, hab ich bisher noch keine Zeit gefunden, mal nachzugucken, warum die eigentlich nicht laufen. Und ein Weiterverkauf lohnt sich ja eigentlich erst dann, wenn man weiß, ob man es wieder hinkriegt.

 

Sollte echt mal anfangen zu schrauben. Vorher muss ich aber noch zu einem geheimen Ort. Ein Lost Place, auf dem so einige nette Roller stehen. Muss mal schauen, ob der Besitzer sie mir überlässt.

 

Wir sehen uns auf der Straße (oder bei der Jagd)

 

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